Ich habe großes Vergnügen an Langzeitbeobachtungen. (Vermutlich eine Folgestörung meines Soziologiestudiums in den 60er/70er Jahren.) Viele meiner Themen besuche ich gern und neugierig mal wieder; So entstehen Zeitreisen und Entwicklungsstudien: Katrin Saß 1982 als DDR-Schauspielerin und Katrin Saß 2000. Die spannendsten stehen nun im Netz. Dazu Einblicke ins Redaktionsgeschäft. Mit Einverständnis der Portraitierten und der Redaktionen: Chefredakteur Andreas Lebert: „Natürlich darfst Du das, ist ja gute Werbung für die Brigitte.“ So weit würde ich nicht gehen. Aber danke, Andreas.
„Alles fließt“, sagte Heraklit –Gerüchten zufolge– um 500 v. Chr. „In dem selben Flusse schwimmst du nicht zum zweitenmal“, so Goethe 1803. Ein Beweis ist das nicht. Aber ein Hinweis: Alles ist schon gesagt. Es kommt nur darauf an, es noch mal zu sagen. Besonders das Belastende rutscht gern ins Vergessen. Schiebt man es aber unverdaut beiseite, kehrt es wieder. Und wieder. Und wieder. Diese bittere Lehre erteilte Zeus schon Laios, König von Theben und Vater des Ödipus. Sophokles schrieb diese Geschichte von der transgenerationalen Macht der bösen Tat auf. Damit war er 425 v. Chr. fertig. Wir sind es bis heute nicht. Voltaire, Max Frisch, Strawinsky und die Doors griffen das Thema auf. Freuds Ruf gründet auf dem Ödipuskomplex. Leider, denn er hatte Besseres zu bieten. Doch auch er zog es vor, die bittere Wahrheit zu verdrängen. Eine, die ihn gesellschaftlich ins Abseits gestellt hätte: sexueller Missbrauch.
„Nach vorne schauen, die Vergangenheit vergessen“, wollten viele nach dem Zweiten Weltkrieg. Nicht nur Täter, auch viele Opfer sagten das. Und wieder nach dem Zusammenbruch der DDR. Mehr als eine Generation, manchmal zwei oder drei, dauert es, bis sich die Menschen trauen, die Spuren zu betrachten, die dies in ihren Seelen hinterließ. In der Zwischenzeit prägt die Definitionsmacht der Sieger die historische Erinnerung. Nicht immer ist es die Wahrheit, die festgehalten wird.
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