Redaktionelles

Interviewpartner: Nähe und Distanz

Meine erste Begegnung mit Katrin Saß enthielt alles, was man als Journalistin fairerweise nicht beschreibt.

Für ihre Rolle in „Bürgschaft für ein Jahr“ sollte die DDR-Schauspielerin 1982 den Silbernen Bären erhalten, den höchsten Darstellerpreis der Berlinale. Die Filmschaffenden der DDR, besonders ihre Funktionäre, wollten diesen Preis und die West-Anerkennung gerne haben. Ihre Hauptdarstellerin aber wollten sie behalten. Da sie das Temperament und die Spontaneität von Katrin Saß kannten, mussten gewisse Überraschungen einkalkuliert werden. Wie löst man das Problem? Man sagt ihr erst in allerletzter Sekunde Bescheid, dann sind Fluchtvorbereitungen unmöglich.

Katrin Saß war noch nie im Westen. Und der Westen leuchtet. Die Schaufenster, die Straßen, alles immer beleuchtet. In den Fahrstühlen Musik, mit den Tasten für die Stockwerke kann man die Stationen einstellen. Einmal auf einer Harley sitzen. Warum nicht einfach hier bleiben?

Zwei Jahre war ich damals Brigitte-Redakteurin, das kleine Portrait von Katrin Saß erschien in Nielsen IIIa, nicht der Gesamtausgabe. Den Satz „aber sie geht immer zurück“ baute ich vorsichtshalber ein, traute mir aber nicht zu, meinen Text auch noch mit Stasi-Augen zu beurteilen. Konspirativ traf ich die Schauspielerin in Berlin -Ost-Berlin, bzw. der Hauptstadt der DDR- zum Gegenlesen. Später aus Sympathie in Halle, im Gepäck die Platte „The Rose“ von Bette Midler. Peter Sodann, damals ihr Lebensgefährte, war dabei. Nach der Wende kam Siegfried Kühn mit, ihr Ehemann von 1991-2007.

Nach der Wende hatte Katrin Saß einen Hänger in der Karriere und im Leben. Das Thema Alkohol ist ausreichend in Super-Illu und ähnlichen Blättern abgehandelt worden. Mehr als das.

Jahre später schaute Katrin Saß in ihre Stasi-Akte. Eine Opfer-Akte, wie sich herausstellte. Ich blätterte mit und sah, welch sorgfältige, fast liebevolle Stasi-Zuwendung mein kleines Portrait erfahren hatte: Der Satz „aber sie geht immer zurück“ – leicht durchschaubar – war unterstrichen und positiv kommentiert worden.

Jetzt ein zweites Portrait? Der alte Artikel, die Stasi-Akte und mein Gefühl, daß die Karriere demnächst im Aufwind sein würde? Kester Schlenz, damals Ressortleiter in der "Brigitte", heute im "Stern", sah das ebenso.

Nun kommt der Teil, der berichtet, warum man nie über Freunde schreiben sollte. Man ist geneigt, sie gegenlesen zu lassen. Selbst wenn diese auch noch die Meinung von Ehepartnern, Verwandten, Freunden zum Text einholen wollen. Nach einem Wutanfall erschien der Text dann unverändert. Wer den Wutanfall hatte? Raten Sie mal.

Mit dem erfolgreichen Kinofilm „Good-bye, Lenin“ (2002) erholte sich die Karriere von Katrin Saß. Mehr als das.


01.09.2015 17:42


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